Bundeskanzler Olaf Scholz hat in der Flüchtlingspolitik eine markige Ankündigung gemacht, er sagte: „Wir müssen endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben.“ Würde eine Umsetzung dieser Worte auch bei der angespannten Flüchtlingslage in Lippstadt helfen?
Die Aussagen von Olaf Scholz sind blanker Populismus, hervorgerufen durch die Wahlergebnisse in Bayern und Hessen. Ohne die Ergebnisse der AfD bei diesen beiden Wahlen, hätte er das so vermutlich nicht gesagt. Inhaltlich ist das ganze lächerlich. Das vor wenigen Tagen vom Kabinett beschlossene Rückführungsverbesserungsgesetz wird in der Bundesrepublik insgesamt 600 zusätzliche Abschiebun-gen pro Jahr ermöglichen, heißt es in der Begründung für das Gesetz. Wir haben aber etwa 300.000 Flüchtlinge in Deutschland, die keinen Aufenthaltstitel haben und wir haben allein in den ersten acht Monaten dieses Jahres 205.000 Asylbewerber aufgenommen, von denen erfahrungsgemäß die Hälfte keine Bleibeperspektive hat – und da reden wir über 600 zusätzliche Abschiebungen im Jahr? Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein, der nirgends weiterhilft. Und in Lippstadt ist das sowieso nicht das Hauptproblem.
Wie könnte man Ihrer Meinung nach die Ausreisepflicht besser durchsetzen?
Man müsste zunächst den Grundfehler beheben. Aktuell sind Abschiebungen Sache der kommunalen Ebene, die gar nicht die Ressourcen dafür hat. Es fehlt den Kommunen an allen Voraussetzungen, es fehlt die Infrastruktur, es fehlen die rechtlichen Rahmenbedingungen, es überlastet die Mitarbeiter, es fehlt an Polizeikräften, um eine große Abschiebewelle auf lokaler Ebene in Gang setzen zu können. Es müsste eine Bundesbehörde, zumindest aber eine Landesbehörde, her, die direkt aus den Aufnahme-Einrichtungen des Landes abschiebt und nicht aus den Unterkünften in den Städten und Gemeinden. Übrigens auch aus Gründen der Gleichbehandlung. Aber mir ist auch klar, dass so eine Bundes- oder Landesbehörde nicht von jetzt auf gleich aus dem Boden gestampft werden kann. Aber das ist der grundsätzliche Systemfehler.
Die CDU hat es zu ihrer Regierungszeit verpasst, eine solche Behörde aufzubauen…
Die Situation war aber auch eine andere. Mit dem ersten großen Flüchtlingsstrom 2015 kamen vor al-lem Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan, die tatsächliche Verfolgte waren, Schutzsuchende mit Blei-beperspektive, die nicht aus sicheren Herkunftsstaaten kamen. Aktuell kommen aber in großer Zahl auch Menschen zu uns, die zwar individuell gute Gründe haben, nach Europa zu kommen, bei denen aber kein Asylanspruch vorliegt.
Kanzler Scholz regt an, Asylsuchenden gemeinnützige Arbeit anzubieten. Ihre Meinung dazu?
Ja, warum denn nicht? Das finde ich absolut richtig. Der Zugang zu sozialen Leistungen muss ja nicht ohne Bedingungen erfolgen. Verbindlich wird das schwer umzusetzen sein, man könnte es aber mit der Einführung von Sachleistungen und Bezahlkarten statt Geldleistungen kombinieren. Auch diesen Vorschlag von Friedrich Merz finde ich richtig.
Geht es nach CDU-Chef Friedrich Merz sollen nur noch Zugewanderte eingebürgert werden, die das Exis-tenzrecht Israels anerkennen. Ein guter Vorstoß?
Natürlich, die Anerkennung Israels muss eine Selbstverständlichkeit sein. Man muss sich mal bewusst machen, dass unser Asylrecht historisch auf die schlimmen Erfahrungen von Juden zurückgeht, die während des Holocausts oft vergeblich versucht haben, in anderen – auch europäischen – Ländern Zuflucht zu finden. Bei Gründung der Bundesrepublik hat man sich als Lehre daraus gesagt, dass schutzsuchende Menschen in Deutschland ein individuelles Grundrecht auf Asyl haben müssen. Jetzt sind wir in der absurden Situation, dass wir Hunderttausende aufgenommen haben, die gegen Juden, gegen das Existenzrecht Israels auf die Straße gehen, die bekennend antisemitisch sind.
Menschen, die hier leben wollen, die eingebürgert werden wollen, müssen unsere freiheitlich demo-kratische Grundordnung bedingungslos anerkennen, und dazu gehört für mich auch, dass das Existenzrecht Israels unverhandelbar ist.
Die Fragen für den Patriot stellte Ursula Vielberg.
Die Zusammenfassung in der Tageszeitung "Der Patriot" findet sich hier.